Der Ablass im Jahr der Barmherzigkeit
Der Ablass ist eine spirituelle Hilfe der Kirche, damit Folgen der Sünde, an denen der Mensch auch nach der Vergebung noch leidet, schneller heilen können. Diese Genesungshilfe kann auch Verstorbenen, die noch der Läuterung bedürfen, „zugewendet“ werden.
Der Ablass ist eine römisch-katholische Tradition (z. B. von Franz von Assisi sehr geschätzt), gehört aber nicht zu den zentralen Wahrheiten der Kirche. Katholische Gläubige sind nicht verpflichtet, einen Ablass zu gewinnen. Aber die Lehre vom Ablass kann auf drei bedenkenswerte Dinge aufmerksam machen:
1. Es ist zu unterscheiden zwischen der Sünde selbst und den Nachwirkungen der Sünde.
Man spricht auch von Sündenfolgen oder “Sündenstrafen” (Sünde straft sich selbst). Ein Beispiel: Ein Mann ist schrecklich eifersüchtig auf seine Frau und quält sie deshalb ständig mit unberechtigten Vorwürfen. Er merkt sein Unrecht und geht auch zur Beichte. Mit der Lossprechung ist ihm seine Sünde wirklich vergeben. Aber mit der Beichte ist nicht einfach alles erledigt. Er muss versuchen, das Unrecht, das er seiner Frau angetan hat, so gut er kann, wieder gutzumachen. Aber auch in ihm selbst sind mit der sakramentalen Lossprechung wahrscheinlich noch nicht alle Auswirkungen der tief sitzenden Eifersucht beseitigt. Er wird mit Hilfe der Gnade Gottes vermutlich noch länger an sich arbeiten müssen, bis er wirklich frei ist von diesen zerstörerischen Gefühlen, bis sie endgültig von ihm „ablassen”.
2. Die katholische Kirche sagt nun ganz deutlich: Auf diesem Weg der Lebenserneuerung bist du nicht allein.
Du darfst dich ganz bewusst und mit großem Vertrauen in die Gemeinschaft der Kirche stellen. Ihr ist von Christus der „Dienst der Versöhnung“ (2 Korinther 5, 18) anvertraut. Sie betet mit dir und für dich und lässt dir im Ablass geistliche Hilfe zuteilwerden. Die von ihr vorgegebenen äußere Zeichen (Voraussetzungen) für den Jubiläumsablass machen die Neuausrichtung des Lebens auf Gott und die Gemeinschaft mit der Kirche deutlich: Durchschreiten einer Heiligen Pforte (Symbol für Christus), Betrachtung der Barmherzigkeit Gottes, Empfang des Bußsakramentes und der Kommunion, Glaubensbekenntnis, Gebet auf die Meinung des Heiligen Vaters für die Anliegen der Kirche.
Wie „vollkommen“ ein Ablass dann wirkt, hängt freilich nicht nur von diesen äußeren Voraussetzungen ab, sondern von der inneren Disposition (vor allem wie vollkommen die Hinwendung zu Gott und die innere Abkehr von „jedweder, selbst lässlichen Sünde“ ist).
3. Der Tod ist keine absolute Grenze für das Füreinander und Miteinander der Liebe.
Die Heiligen, die schon ganz bei Christus sind, beten für uns, dass auch wir zu guten Christenmenschen heranreifen. Wir dürfen unsererseits für jene Verstorbenen beten, die noch der Läuterung bedürfen. Wenn wir ihnen einen “Ablass” zuwenden, ist das ein Akt der Liebe, ein Gebet, von dem wir gewiss sein dürfen, dass es nicht vergeblich ist.
Karl Veitschegger