Tradition der "Werke der Barmherzigkeit" hochaktuell
Zu einer Neuentdeckung der christlichen Tradition der "Werke der Barmherzigkeit" hat der Bischof Manfred Scheuer aufgerufen. In ihnen "bündelt sich etwas von dem, was mit Barmherzigkeit konkret gemeint ist", erklärte Österreichs "Caritasbischof" in einem Gespräch mit "Kathpress". Zum "Heiligen Jahr der Barmherzigkeit" sei es angesichts heutiger Nöte angebracht, die aus der Bibel stammenden Beispiele für konkrete Nächstenliebe entsprechend zu "übersetzen". Konkret gelebter Barmherzigkeit gelinge es nämlich, Wunden zu heilen, Hass zu überwinden und Versöhnung zu ermöglichen.
Jeweils sieben leibliche und geistliche Werke der Barmherzigkeit haben sich im Anschluss an drei Bibelstellen (Mt 25,35-46, Jes 58 und Tob 1,17) in der christlichen Tradition entwickelt. Die leiblichen Werke lauten: Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Nackte bekleiden, Kranke besuchen, Gefangene erlösen und Tote begraben. Zu den sieben geistlichen Werken der Barmherzigkeit zählt die Tradition: Unwissende lehren, Zweifelnde beraten, Trauernde trösten, Sünder zurechtweisen, Beleidigern gern verzeihen, Lästige geduldig ertragen und für die Lebenden und Toten beten.
Jesu Gleichnisse vom "barmherzige Samariter" und vom "verlorenen Sohn" enthalten für Scheuer die zentralen Aussagen zur Barmherzigkeit. "Dazu gehört die Caritas, das Wahrnehmen der Not und ein Herz haben für davon betroffene Menschen, das Helfen und Zupacken." Insofern sei Caritas etwas "Wesentliches", dazu stelle sich auch die Frage nach dem Verhältnis von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, zeigte der Bischof anhand der Flüchtlingskrise auf: "Es braucht hier auf der einen Seite die ganz Engagierten, auf der anderen Seite auch technisches Know-how, eine gute rechtliche Organisation und guten rechtlichen Rahmen."
Auch die Kirche selbst habe diese Spannung zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu leben, wobei es vor allem auch um die Frage der Buße und Umkehr gehe. "Wie geschieht Heilung von Verwundungen, wie geschieht Vergebung? Wie wird der Hass überwunden, wie wird Feindschaft entgiftet, wie geschieht Versöhnung zwischen Gegnern?" seien laut dem scheidenden Innsbrucker Bischof, der demnächst die Diözese Linz übernimmt, die wesentlichen Fragen dafür.
Altbischof Joachim Wanke aus der Diözese Erfurt hat die Werke der Barmherzigkeit auf die Gegenwart übersetzt, verwies Scheuer. "Dazu gehört, einander zu sagen: Du gehörst dazu; ich höre dir zu; ich rede gut über dich; ich brauche dich; ich gehe mit dir; ich teile mit dir; ich besuche dich und ich bete für dich. Diese Worte und Haltungen "bauen Brücken, lassen aufatmen, führen Menschen zueinander und überwinden Abgründe der Angst und Fremdheit", würdigte Scheuer diese Aufzählung.
"Etwas mehr Barmherzigkeit verändert die Welt, es macht sie weniger kalt und mehr gerecht", verwies Scheuer auf das erste Angelusgebet von Papst Franziskus nach seinem Amtsantritt im März 2013. Im Frühjahr 2015 hatte der Papst schließlich in der Ankündigung des "Heiligen Jahres der Barmherzigkeit" dezitiert auf die Werke der Barmherzigkeit hingewiesen.
Die Christen sollten im "Heiligen Jahr der Barmherzigkeit" über sie nachdenken, um "unser Gewissen, das gegenüber dem Drama der Armut oft eingeschlafen ist, wachzurütteln und immer mehr in die Herzmitte des Evangeliums vorzustoßen, in dem die Armen die Bevorzugten der göttlichen Barmherzigkeit sind", hieß es in der Papst-Bulle "Misericordiae vultus". Jesus habe im Evangelium die Werke genannt, "damit wir prüfen können, ob wir als seine Jünger leben oder eben nicht".
Quelle: kathpress