Grußworte des Grazer Bischofs Wilhelm Krautwaschl zum Jahr der Barmherzigkeit.
Am 8. Dezember 2015 wird Papst Franziskus im Petersdom das „Jahr der Barmherzigkeit“ eröffnen. Dieses soll bis zum Christkönigs-Sonntag, dem 20. November 2016, dauern. Grundsätzlich sieht die Kirche Heilige Jahre alle 25 Jahre vor; das „Jahr der Barmherzigkeit“ ist somit ein außerordentliches Heiliges Jahr. Heilige Jahre sind eine Einladung, die Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen zu überdenken und zu erneuern.
Der Papst schreibt in seiner Verkündigungsbulle „Misericordiae vultus“, dass die Barmherzigkeit Gottes keine abstrakte Idee, sondern eine konkrete Wirklichkeit ist, durch die er seine Liebe offenbart. Sie ist der Pulsschlag des Evangeliums. Papst Franziskus sagt: „Es ist entscheidend für die Kirche und für die Glaubwürdigkeit ihrer Verkündigung, dass sie in erster Person die Barmherzigkeit lebt und bezeugt! Ihre Sprache und ihre Gesten müssen die Barmherzigkeit vermitteln und so in die Herzen der Menschen eindringen und sie herausfordern, den Weg zurück zum Vater einzuschlagen“ (MV 12).
Am 8. Dezember, 50 Jahre nach dem Ende des II. Vatikanischen Konzils, öffnet Papst Franziskus die Heilige Pforte in Rom. In der ganzen Steiermark werden am Sonntag darauf 39 „Pforten der Barmherzigkeit“ geöffnet. Diese Orte wurden gewählt, da sie spezielle Angebote zum Austausch und Gespräch anbieten und dazu einladen, die geistlichen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit wiederzuentdecken. Ein Teppich mit dem Schriftzug „barmherzig“ geleitet an diesen „Pforten der Barmherzigkeit“ in die Kirche hinein, wie auch, beim Verlassen, wieder aus der Kirche heraus, um sich von von Gottes Barmherzigkeit beschenken zu lassen und den Menschen seine Barmherzigkeit weiterzuschenken. Gerade angesichts des vielen Leids und der Armut, angesichts der Sorgen und Ängste in unserer zerrissenen Welt und angesichts der großen Flüchtlingsströme und der Aufnahme von Asylwerbenden werden wir dabei in unserem Christsein zuinnerst auf die Probe gestellt.
Überall dort, wo Christen sind, mögen Oasen der Barmherzigkeit „auffindbar“ sein, so Papst Franziskus. Ich lade ein, in unserem Alltag ganz bewusst aus dem tiefen Brunnen des Evangeliums zu schöpfen, um dort, wo wir leben, arbeiten und wirken, Oasen der Menschlichkeit und Barmherzigkeit keimen und wachsen zu lassen. Barmherzigkeit darf keine Floskel bleiben. Der barmherzige Gott möge Sie mit seinem Segen begleiten.
Wilhelm Krautwaschl, Bischof von Graz-Seckau